Mit der 17-jährigen Chiara Schultes steht eine sehr talentierte und ambitionierte Nachwuchstorhüterin in den Reihen des EHC Straubing, die in der anstehenden Saison sowohl für die U17 als auch für die U20 auf dem Eis stehen wird.
Geboren wurde die Linksfängerin 2005 in Tirschenreuth, begann in Mitterteich im Alter von drei Jahren in der Laufschule. Wegen ihres Bruders fing sie dann mit Eishockey an. „Ich wollte einfach alles machen, was mein Bruder gemacht hat. Im Tor bin ich aber, weil ich im Fußball auch im Tor war. Ich war zuerst Feldspielerin, um besseres Schlittschuhlaufen zu lernen.“ sagt die junge Torfrau. Später fing sie für den 1.EV Weiden die Pucks, ehe sie zur Saison 2021/22 zum EHC wechselte und damit Trainer Peter Hampl folgte, der im Jahr zuvor ebenfalls aus Weiden kam.
EHC-Coach Peter Hampl ist also schon seit einiger Zeit ihr Trainer und beschreibt sie so: „Ich kenne sie schon von klein auf und trainiere sie jetzt sechs oder sieben Jahre. Ihr größter Vorteil ist ihr extremer Ehrgeiz, das sieht man so sehr selten und bei einer Dame habe ich das so noch nie erlebt. Sie trainiert sehr viel und ist sehr fleißig.“ Das sieht man auch in ihrer Freizeit, denn vor der Schule, in der sie sich sehr für Psychologie interessiert, ist sie ab 6:00 Uhr im Fitnessstudio zu finden. „Um 5.30 Uhr stehe ich auf und um 6.00 Uhr öffnet der FitXpert.“ meint Chiara lachend. Dort ist sie meistens die Erste und hat das Studio für sich. Auch die Schwächen kennt Peter Hampl: „Sie muss manchmal etwas ruhiger werden. Und sie ist etwas schmal, daran zu arbeiten ist schwer, aber die größeren Torleute nehmen von Haus aus mehr Platz ein. Aber sie hat bessere Reaktionen als viele andere.“
Begeistert zeigt sich auch EHC-Präsident Peter Zankl: „Auf dem Eis ist man als Torhüter immer im Mittelpunkt und präsent, das macht sie sehr gut.“ Der ehemalige Goalie weiß, wovon er spricht. „Sie hat jetzt ungefähr so eine Figur wie ich damals, da muss man halt etwas flinker sein.“ Mit dem Geben von Tipps tut er sich aber schwer: „Das Torhüterspiel ist heute ein ganz anderes, da vertraue ich auf unsere Trainer.“
Große Ziele auf und neben dem Eis
Ambitionierte sind auch die Dinge, die nichts mit Eishockey zu tun haben, denn in Straubing geht Chiara Schultes auf die Fachoberschule (FOS) und will nach dem Abitur Medizin studieren. Wobei der Sport klar im Vordergrund steht: „Erstes Ziel ist ganz klar A-Nationaltorhüterin.“ meint sie selbstsicher. Wobei es für sie natürlich optimal wäre, wenn beides klappen würde. Chiara weiß: „Über die Sportfördergruppe der Bundeswehr könnte ich beides verbinden. Da sind aber leider sehr wenige Plätze frei. Man muss vom Trainer der A-Nationalmannschaft vorgeschlagen werden und dann auf einem Lehrgang ausgewählt werden.“
Seit vier Jahren gehört sie auch in die jeweilige DEB-Auswahl. Sie berichtet: „Mein erstes Turnier waren die Youth Olympic Games in Lausanne im Januar 2020.“ Zu holen gab es damals aber leider nichts. Das erste Spiel verlor man 2:7 gegen Schweden. Im zweiten Vorrundenspiel musste man sich der Slowakei knapp 1:2 geschlagen geben und war damit ausgeschieden. Das letzte Turnier fand Anfang Juni dieses Jahres statt. Doch leider war die 14. Eishockey-Weltmeisterschaften der U18-Frauen nicht unter einem guten Stern. In der Bob Suter’s Capitol Ice Arena im US-Amerikanischen Middleton mussten die jungen Frauen nach einem 1:0-Sieg über die Schweiz und zwei 2:6-Niederlagen gegen Tschechien und die Slowakei in die Abstiegsrunde aus der Top-Division. Der Gegner im Best-of-Three waren erneut die Damen aus der Schweiz. Schon vor dem Turnier war der Frauen-U18-Bundestrainerin Franziska Busch klar, dass es nicht einfach wird. So meinte sie in einem DEB-Interview: „Die Vorbereitung war, bedingt durch den Zeitpunkt der WM im Juni und die Abiturprüfungen der Spielerinnen im Endjahrgang, nicht ganz einfach. Die Spielerinnen waren lange nicht mehr im Mannschaftstraining auf dem Eis und auch die letzten Spiele sind Wochen her.“ und weiter sagt sie „Durch die WM-Absagen der letzten Jahre fehlt den meisten unserer Spielerinnen WM-Erfahrung.“ In den Abstiegsspielen unterlag man 0:1 und 3:7 und stieg somit in die Division IA ab. Chiara Schultes kam bei dem Turnier nur beim allerletzten Spiel beim Zwischenergebnis von 0:5 zum Einsatz. In den 34:11 Minuten bekam sie 14 Schüsse aufs Tor und konnte 12 davon abwehren. Was bleibt, ist viel Erfahrung.
IIHF High Performance Camp
Schritt für Schritt geht es für „Chi“, wie sie genannt wird, weiter. So durfte sie vor kurzem für sieben Tage zum IIHF High Performance Camp ins finnische Vierumäki. Das hört sich nicht nur extrem professionell und erstklassig an, das ist es auch. Dass sie mitfahren durfte und einen der wenigen Plätze bekam, erfuhr sie von Bundestrainerin Franziska Busch im Laufe der U18-WM. Das Erlebnis begann am 8. Juli. Sie erzählt: „Wir sind in der Früh um 6.40 Uhr in München losgeflogen. Nach zweieinhalb Stunden sind wir in Helsinki gelandet. Dann ging es eineinhalb Stunden mit dem Bus nach Vierumäki.“ Zielort war das Sport Institute of Finland Olympic Training Centre. „Das ist ein eigenes Reich für Sportler. Bei dem es in der Umgebung außer Wald nichts gibt.“ Doch wie man gleich bemerken wird, ist auch gar keine Zeit für irgendwas anderes, außer dem Lehrgang. „Es gibt Wald, viel Wald, einen See, einen Kletterpark, das Sporthotel, die Eishalle und viele Sportplätze.“ Das Camp ist Teil des Sportentwicklungsprogramms der IIHF, bei dem diesmal 150 Teilnehmerinnen aus 19 Ländern teilgenommen hatten. 79 davon waren U18-Athletinnen und davon wiederum 28 Torhüterinnen. Der Rest sind Trainerinnen und Betreuerinnen. Aus Deutschland waren die beiden Ex-Nationalspielerinnen Julia Zorn und Jenny Harss im Trainerteam. „Es waren aus fast allen teilnehmenden Nationen ehemalige Nationalspielerinnen da. Die waren ständig mit uns auf dem Eis. Man wurde rund um die Uhr betreut, beobachtet und verbessert.“
Der Sportdirektor des Camps ist Mel Davidson. Auf der Homepage der IIHF kann man seine Begrüßung nachlesen: „Sie sind hier, weil Sie von Ihren Ländern ausgewählt wurden, Sie wurden von Ihren Ländern gebeten, zu kommen, und Sie vertreten Ihre Länder. Kommen Sie also jeden Tag unvoreingenommen, stellen Sie Fragen, lernen Sie Ihre Teamkollegen kennen und nutzen Sie diese Gelegenheit, um zu lernen und zu wachsen.“ In den sieben Tagen des Camps gab es dazu reichlich Programm.
Chiara berichtet. „Wir hatten einen Trainer aus Nordamerika, der uns auf dem Eis viele technische Dinge gezeigt hat. Es gab auch viele Meetings zu vielen Themen. Ernährung, Anti Doping, viel mentales Training und einiges mehr.“ Wobei der Tagesablauf sehr straff war. „Es ging um 7.00 Uhr mit dem Frühstück los. Um 8.00 Uhr ging es dann entweder mit einem Eistraining, einem Krafttraining oder einem Meeting los. Mittagspause gab es selten, wir haben nur Mittag gegessen und dann ging es sofort weiter. Abends ging es bis etwa 22.00 Uhr. Wir hatten zwar auch viel Training, aber es war vor allem für den Kopf sehr anstrengend. Die komplette Veranstaltung war auf Englisch und die Meetings dauerten zum Teil drei Stunden.“
Doch neben der Anstrengung war es sehr lehrreich und eine großartige Erfahrung. Chiara Schultes zeigt sich begeistert: „Vor allem der Austausch mit den anderen Torhüterinnen hat sehr viel gebraucht. Was kann die, was ich nicht kann? Wo muss ich mich verbessern? Was kann ich von denen lernen? Das war der größte Aspekt. Was auch klasse war, ist, dass man jederzeit einen Trainer hatte zu dem gehen konnte und sagen >Kannst du mich anschauen, kannst du mich verbessern<“
Ihr Vorbild ist der Schwede Henrik Lundqvist. Ihn zu erreichen, ist für jeden Goalie schwer, doch mit dem Einsatz, der Leidenschaft und dem Talent ist Chiara Schultes auf einem sehr guten Weg, ihre Ziele zu erreichen.
Text/Autor: Armin Holl-Wagner
Bild: Schultes, Buschendorf